Montag, 14. Dezember 2009

Freispruch im Dresdner "Zapfenstreich"-Prozess: Kritische Verwendung von SS-Runen kein Verstoß gg. § 86a StGB

"Schön" sieht anders aus. Die Richterin Karin Fahlberg hatte schweres Geschütz auffahren lassen, zahlreiche Justizwachtmeister und Polizei waren zusammengekommen, es gab einen eigens aufgebauten Metalldetektor vor dem Verhandlungssaal, und das Verfahren fand im zu kleinen Raum 159 statt, der gerade einmal 33 Sitzplätze bot; im sehr viel größeren Saal 21 des Amtsgerichts hatte man - nach unserer Bitte, die Sache in dem größten Saal stattfinden zu lassen - zwei Verhandlungen terminiert, die nun so gar keine Öffentlichkeit in Anspruch nahmen: Eine wegen "Verletzung der Buchführungspflicht" sowie eine wegen "Vorsätzlicher Insolvenzverschleppung". Grund genug, der Öffentlichkeit im vorliegenden Verfahren klare Schranken aufzuerlegen, aber wie sagte doch schon der Richter im Prozess gegen Robert Havemann 1979, als dieser darum bat, einen größeren Verhandlungssaal festzulegen: "Durch den Vorsitzenden wurden diese provokatorischen Forderungen mit dem Bemerken zurückgewiesen, dass es ausschließlich seine Angelegenheit sei, den Verhandlungssaal auszuwählen." Ausschließlich die Angelegenheit von Frau Fahlberg war es auch, ihrer Befangenheit durch die ausführliche "sitzungspolizeiliche Anordnung" noch einmal Nachdruck zu verleihen.

Da es zu den - ja auch nur sehr marginalen - Unruhen im letzten Hauptverhandlungstermin nur gekommen war, da die Richterin meinte, sich über die Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren hinwegsetzen und dem Angeklagten befehlen zu können, bei der Einlassung sitzen zu bleiben, gab es natürlich für eine solche sitzungspolizeiliche Anordnung eigentlich keinen Spielraum. Und als Jörg in seiner Einlassung (stehend, und diesmal ohne Diskussion hierum) dem Gericht Abbildungen von - weiterhin verwendeten - NS-Symbolen vorhielt, schaute die Richterin demonstrativ weg. Auch dies selbstredend ein Zeichen ihrer Befangenheit, die ja auch nach dem letzten Termin gar nicht mehr ernsthaft zur Diskussion stand. Aber, alle Beteiligten hatten an diesem Tag am Ende wohl ein Ziel gemeinsam: Augen zu und durch.

So hatte die Staatsanwaltschaft diesmal auch darauf verzichtet, Herrn Muck zu schicken, immerhin. Wir deuten das mal als ein kleines Zeichen, die ohnehin peinliche Geschichte nicht noch weiter eskalieren zu wollen. Die Anklagebehörde wurde nunmehr von Ute Schmerler-Kreuzer vertreten, die zwar Jörg einmal in seine Einlassung hinein redete und diese lieber abgebrochen sehen wollte, sich aber ansonsten eher zurück hielt.

Jörg erläuterte in einer Stunde die Hintergründe des Verfahrens: Wie die Stadt 2006 versucht hatte, die Demonstration gegen den Großen Zapfenstreich zu verhindern, welchen Einfluss solche Veranstaltungen durch das Militär im Alltag haben sollen, welche historischen Kontinuitäten es zwischen Wehrmacht und Bundeswehr gibt und, insbesondere, wie gerade etwa Hakenkreuze von "ehemaligen Kameraden" verwendet werden bei Veranstaltungen, die auch von der Bundeswehr unterstützt werden, vgl. etwa die Dokumentation zur "Brendtenfeier" in Mittenwald und den Protesten dagegen.

Staatsanwältin Schmerler-Kreuzer beantragte dann eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen (à 10 EUR). Ihre - ob man das lustig findet, sei den LeserInnen anheim gestellt - These lautete, dass der Bundesgerichtshof 2007 nur solche Kennzeichen für straffrei erklärt habe, die sich unmittelbar gegen den Nationalsozialismus oder etwa die Wehrmacht richteten. Und: Die SS-Runen in der inkriminierten Grafik seien ja auch nicht durchgestrichen gewesen...

In seinem Plädoyer durchlief Detlev dann die Geschichte der Rechtsprechung zu § 86a StGB von 1972 bis heute. Der BGH hat schon immer deutlich gemacht, dass solche Kennzeichenverwendungen nicht unter die Strafvorschrift fallen, die sich nach außen erkennbar von dem hinter dem Symbol stehenden Gedankengut distanzieren. Anhand einiger prägnanter Beispiele wurde gezeigt, dass die Staatsanwaltschaften und Untergerichte häufig bereit sind, Kennzeichenverwendungen durch Neonazis "irgendwie" durchgehen zu lassen, während immer dann, wenn mit der Verwendung solcher Kennzeichen Kritik am Staat geübt wird, die Justiz geradezu reflexartig zuzuschlagen bereit ist. Besonders deutlich wurde die willkürliche Art, mit der hier in Dresden ermittelt worden war, auch im Vergleich zum "Hitler-Gartenzwerg", von dem der Verteidiger ein Exemplar mit zur Verhandlung gebracht hatte.

Die Urteilsverkündung war dann knapp: Freispruch, da die Rechtsprechung, wie von der Verteidigung skizziert, "immer mehr" solche Darstellungen wie in der vorliegenden Sache akzeptiere - was nicht ganz richtig ist, man kann eigentlich nur sagen, dass die unteren Instanzgerichte "immer mehr" den BGH trapsen hören. Immerhin.

Doch auch die Urteilsverkündung ging nicht ganz ohne unangenehme Begleitumstände vonstatten. "Das hätte man deutlich kürzer haben können", meinte Frau Fahlberg, und das war nicht an die Staatsanwaltschaft gerichtet... Auch nicht an sich selbst, die das Verfahren zwei Jahre lang unbearbeitet hatte liegen lassen, bevor sie die Anklage überflüssigerweise zugelassen hatte; sondern die dreistündige Verhandlung war ihr wohl ein Dorn im Auge. Hätte die Richterin im Juli nicht die Frage, ob ein Angeklagter bei seiner Einlassung stehen darf, zur Machtfrage erhoben, hätte man auch die Hauptverhandlung sicherlich schon lange hinter sich haben können. "Schade, dass Sie nicht von vornherein das Vertrauen in ein deutsches Gericht haben." - ein letzter Satz, der angesichts des vorliegenden Ermittlungsverfahrens inkl. Hausdurchsuchung - angeordnet durch "ein deutsches Gericht" - und angesichts eines Angeklagten, der vor elf Jahren für über fünf Monate in Bayern wegen "Fahnenflucht" als Totaler Kriegsdienstverweigerer in U-Haft saß, mehr als unpassend war. Aber - von diesem Gericht war mehr wohl auch nicht zu erwarten...

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