Sonntag, 5. Juli 2009

Bonner Richter privat: Bloß nicht zur Wahrheitsfindung beitragen!

Eine kleine Posse am Rande des Verfahrens: Wer die Anklageschrift der StA Dresden aufmerksam liest, wird feststellen, dass Staatsanwältin Frohberg zur Verteidigung ihrer These, man könne ja gar nicht wissen, was die SS-Runen auf einem Plakat (welches sich gegen einen Großen Zapfenstreich der Bundeswehr richtet) bedeuten sollen, folgendes behauptet: "Was dies mit der Waffen-SS zu haben soll, bleibt offen. Die Waffen-SS war eine paramilitärische Organiation - und als solche nicht an Zapfenstreichen beteiligt." Aha.

Nun war Frau Frohberg offensichtlich mehr daran gelegen, eine Anklage "zusammenzuschustern", als auf historische Wahrheiten zurückzugreifen. Zumindest lässt sich die genau entgegengesetzte Information extrem schnell herausfinden, wenn man etwa in Google nach "Waffen-SS Großer Zapfenstreich" sucht. Erster Treffer - erster Nachweis. Aber heute soll es nicht um das historische Wissen von Frau Frohberg gehen.

Im Prozess morgen soll es allerdings darum gehen. Nun sind die - so leicht - zu findenden Internet-Nachweise auch "nur" Zweit- oder Drittquellen - als wissenschaftlich exakt arbeitende Angeklagter bzw. Verteidiger war uns natürlich daran gelegen, die Originalquelle oder gar Einzelbelege für solche Zapfenstreiche der Waffen-SS vorlegen zu können.

So haben wir uns - und darum soll es hier heute nur gehen - an die "Deutsche Gesellschaft für Militärmusik" (DGfMM) gewandt, da in deren "Mitteilungsblatt des Arbeitskreises Militärmusik" von 1982, Nr. 14, Seite 29, ein Artikel veröffentlicht worden ist mit dem Titel "Heeres-Verordnungsblatt 1940, Seite 156: 'Großes Wecken' und 'Großer Zapfenstreich' bleiben Wehrmacht und der SS vorbehalten". Das klang interessant, den wollten wir haben. Und da die DGfMM auf ihrer Website solche Hefte explizit zur Nachbestellung anbietet, darüber hinaus sogar offeriert, Forschungsaufgaben auch für Nicht-Mitglieder gegen geringes Entgelt zu übernehmen, wollten wir den Verein etwas reicher und uns etwas schlauer machen. Aber: Man spricht dort nicht mit jedem!

Auf die entsprechende Anfrage nach Heft und weiteren Informationen und dem Hinweis, dass dies zur Klärung der oben angesprochenen Frage in einem Strafverfahren dienen soll, erhielten wir prompt eine Absage: Man bitte um Verständnis, aber aus "grundsätzlichen Erwägungen heraus" werde niemandem, der nicht Angehöriger der DGfMM sei, Auskünfte zur Militärmusik "von und für Parteiorganisationen der NSDAP" gegeben. Und jetzt wird's interessant: "Wir möchten weder Informationsbörse für Gruppierungen aus dem rechtsradikalen Milieu, von dem wir uns scharf distanzieren, sein, noch Personen, die unserem Anliegen von Grund auf feindselig gegenüberstehen, Auskünfte irgendwelcher Art geben."

Die Aussage steht unserer Meinung nach zunächst einmal für sich selbst - eine Gruppierung distanziert sich einerseits ungefragt verbal von "Gruppierungen aus dem rechtsradikalen Milieu", und weigert sich dann, wissenschaftliche Informationen für eine Strafverteidigung herauszugeben, in der ein Angeklagter aus "dem linken Milieu" einen Nachweis gegen eine Falschbehauptung einer Staatsanwältin benötigt...

Aber: Die Sache ist eigentlich noch viel spannender. Denn der Absender dieser Worte der DGfMM - Alexander Fühling, seines Zeichens Erster Vorsitzender der DGfMM - ist hauptberuflich ... Strafrichter am Amtsgericht Bonn! Ein Richter, der privat schwerwiegende Probleme damit hat, zur Wahrheitsfindung in einem fremden Strafverfahren beizutragen, wenn er das Anliegen des dortigen Angeklagten nicht teilt. Warum auch nicht - ein Strafrichter ist privat schließlich nicht zur Wahrheitsfindung verpflichtet...

Bleibt der vorläufige Ausgang der Sache zu berichten: Wir wurden gebeten, uns die gewünschten Informationen an anderer Stelle zu beschaffen. Das haben wir inzwischen. Es war die Bundeswehr, die uns das Heeres-Verordnungsblatt 1940, Seite 156, zur Verfügung stellte. Aus diesem Grund können wir (vermutlich) auch davon Abstand nehmen, Alexander Fühling als sachverständigen Zeugen zu laden, was wir uns durchaus vorbehalten hatten. Auf entsprechenden Hinweis hierauf und die nochmalige Bitte, uns zumindest das Heft zu übersenden, erging übrigens keinerlei Reaktion mehr...

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